Es existieren eine Menge verschiedener Zahlen darüber, wie vielen kommerziellen Kommunikationsinhalten ein Mensch heute pro Zeiteinheit ausgesetzt ist. Welche dieser Zahlen nun stimmt, ist fast unerheblich. Es sind auf jeden Fall weit mehr Botschaften, als ein Mensch bewusst verarbeiten kann. Daraus ergibt sich eine klassische Herausforderung für die Markenkommunikation: Wie bleibe ich mit meiner Botschaft bei potentiellen Käufern positiv im Gedächtnis? Oder noch besser: Wie erhöhe ich die Chance auf positive Mundpropaganda? Der folgende Fall zeigt, wie dies gelingen kann.
Der „Imbiss bei Schorsch“ liegt an der Grenze zwischen den zwei bekannten Hamburger Stadtteilen St. Pauli und Sternschanze.
Ich entdeckte diese – mir damals noch unbekannte – Hamburger Imbiss-Institution zufällig. Sie ist aufgrund der geringen Größe, der Laden ist so breit wie die Markise (s. Foto), auch leicht zu übersehen. Übersichtlich ist auch das Angebot, reduziert auf das Wesentliche:
Auch bei der Auswahl gibt es keine Kompromisse, wie ich bei meinem ersten Besuch feststellen durfte. Nach meiner Bestellung einer Bratwurst fragte mich die Dame hinterm Tresen, ob ich noch Senf wolle. Wollte ich nicht, dafür Ketchup. Woraufhin ich mit hanseatisch-burschikosem Charme aufgeklärt wurde: „Bratwurst gibt es nur mit Senf, junger Mann! Mit Ketchup ist es eine Currywurst.“ Dank dieser strengen Bestellregeln kam ich glücklicherweise in den Genuss der Spezialität des Hauses. Denn die Currysoße des Namensgebers Georg „Schorsch“ Karkosch ist beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragen und seine Zusammensetzung wahrscheinlich fast so geheim wie die Rezeptur von Coca-Cola. Außerdem war sie bei ihrer Kreation Anfang der 1960er Jahre mit dem Versprechen „ohne chemische Zusatzstoffe“ ihrer Zeit voraus.
Schon der erste Besuch und die in der Tat sehr leckere Currysoße hatten bei mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen: Ich war versorgt mit einigen Anekdoten, um Freunden und Kollegen von diesem besonderen Imbiss zu berichten. Dies zahlte sich für die Betreiber bald aus, als wenige Tage später der Kollegenkreis zur Mittagspause für Currywurst mit Kartoffelsalat einkehrte. Und nach einem Besuch der Homepage wird deutlich: Das Besitzerehepaar Hunger (!) sorgt aktiv dafür, dass der Imbiss auch neben seiner Currywurst im Gespräch bleibt: sei es über die lange Tradition des 1961 eröffneten Imbiss mit seiner Historie – inklusive einem jüngeren Nachbarschaftsstreit – oder über eine mittlerweile nicht mehr erhältliche seltene Ananasbrause.
Neben vielen online Empfehlungen und reichlich lokalprominenter Kundschaft hat der kleine Imbiss so im Laufe der Jahre auch die Aufmerksamkeit größerer Medien erreicht: Die Financial Times kürte 2006 Schorschs als die „beste Currywurst der Welt“ und der NDR brachte einen TV-Beitrag über den Imbiss.
Das Beispiel zeigt: Auch ohne ein großes Budget kann man in einer umkämpften Branche wie der Gastronomie für gute PR und positive Mund-zu-Mund Propaganda sorgen. Guten Produkten und interessanten Geschichten sei Dank.