In Bezug auf ihren Beitrag zum Unternehmenserfolg war und ist Marketing eine Disziplin, die von Selbstzweifeln geplagt und auch häufig vom Rest des Unternehmens in Zweifel gezogen wird. Ich erinnere mich noch gut, wie während meines Praktikums in den USA der Finanzchef durch die Firma ging, um einen neuen Mitarbeiter vorzustellen. Bei der Marketingabteilung (und mir) angelangt, stellte er uns vor: „These are the marketing guys. They always find new ways to spend our money.“
Spezialisierungen erleichtern Messbarkeit
Sicher gibt es Unternehmen, bei denen eine solch einseitige Sichtweise nicht vorherrscht. Andererseits sind Entwicklungen wie die Digitalisierung mit all ihren Auswirkungen dem Marketing zur Hilfe gekommen. Neue Kommunikations- und Absatzkanäle sind entstanden, individualisierter Konsum schafft neue Zielgruppen. All das hat den Kaufentscheidungsprozess stark verändert. Der lineare AIDA-Prozess ist der Customer Journey gewichen: Einem komplexen Kreislauf, der die vielen neuen Touchpoints abbildet und versucht, in eine Ordnung zu bringen.
Die Arbeit im Marketing ist dadurch kleinteiliger geworden. Die Folge sind eine wachsende Anzahl von Spezialisten, um der Explosion der Touchpoints Herr zu werden: E-Mail-Marketing Manager, SEA-Marketing Manager, Facebook-Advertising Manager usw. – bei diesen eng definierten Tätigkeitsbereichen fällt es deutlich leichter, Erfolg zu definieren und zu messen. Viele der neuen Kanäle bringen ihre eigenen Messgrößen und Analysetools gleich mit. Die Lieblingsfrage des Geschäftsführers „Und was bringt uns das jetzt?“ können diese Marketingbereiche mit harten Zahlen parieren.
Inaktivität bei der Markenführung als Risiko
Die Optimierung des Kaufentscheidungsprozesses ist zweifelsohne ein lohnendes Ziel und die Nutzung neuer Kommunikationskanäle kaum zu umgehen. Aber es besteht die Gefahr, dass sich das Marketing dabei verzettelt. Bei der Detailarbeit an den Pfaden und Stationen der Customer Journey darf in wettbewerbsintensiven Märkten die Markenführung nicht vergessen werden. Marken brauchen Position und Identifikationspotential, sonst findet die Customer Journey schnell ohne sie statt. Ist eine Marke nicht zu Beginn der Reise im Relevant Set oder schafft es im Prozessverlauf hinein, läuft die Touchpoint-Optimierung größtenteils ins Leere und man kann höchstens noch Misserfolg messen.
Autos aus Korea – mit umfassender Markenstrategie ins Relevant Set
Am Beispiel der koreanischen Autohersteller Hyundai und Kia lässt sich ein Vorgehen veranschaulichen, das – von außen betrachtet – in Markenführung und Detailexekution erfolgreich ist. In Deutschland und anderen westlichen Märkten haben die Marken in den letzten Jahren rasant Marktanteile gewonnen. Dabei haben sie einen konsequenten Wandel vom Billiganbieter zum Preis-Leistungs-Führer verfolgt und somit auf eine klare, wenn auch hart umkämpfte, Position im Markt hingearbeitet. Neben dem attraktiven Preis sorgen weitere Einzelaspekte wie z. B. modernes Design für den europäischen Geschmack (emotionaler Benefit) und eine weit überdurchschnittlich lange Garantie von 5 bzw. 7 Jahren (reason to believe) dafür, die gewünschte Position als relevante Alternative im Wahrnehmungsraum des Kunden einzunehmen. Verbunden mit einer Kommunikationsoffensive, u.a. als offizieller Sponsor der Fußball Weltmeisterschaften, konnten Erfolge erzielt werden, die sich in den entscheidenden Kennzahlen wie Absatz und Marktanteil messen lassen.